“Einen richtigen Sneakerhead interessiert der Hype nicht” – Interview mit Tim Sabajo, Patta

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Artikel aktualisiert am 26.01.2024.

Es war ein bisher gutes Jahr für die holländische Sneaker-Institution Patta. Diverse eigene Kollektionen sowie Kooperationen mit unter anderem Nike (Air Span II) und ALCH hielten die Brand, diverse groß angelegte Sneaker-Releases den Shop busy.

Doch im Interview mit Patta Gründer Tim Sabajo an einem sonnigen Maitag auf den Straßen der niederländischen Hauptstadt, stellte sich heraus: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Ein Gespräch über die Entwicklung der Sneakerszene, absurde Releaseszenarien auf den Straßen vor den Patta Stores in Amsterdam und London und die Erkenntnis, dass das Sneakergame dieser Tage fast einem Krieg gleicht.

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„2019 wird Patta explodieren!“

Tim, wie war das Jahr für Patta bisher?
Es waren gute Monate. Wir hatten viel zu tun. Soeben ist unsere neue Kollektion raus gekommen und da muss natürlich viel gemacht werden. Außerdem gab es viele verrückte Releases wie die Off-Whites oder der Sean Wotherspoon. Die halten einen natürlich auch ganz schön auf Trab. (grinst)

Lass uns über eure neue Patta Kollektion sprechen. Welche Idee, welches Motiv habt ihr dieses Mal verfolgt?
Eigentlich haben wir es so gehalten, wie bei all unseren bisherigen Kollektionen: Sie müssen etwas von uns in sich tragen. Alle Kollektionen haben die Patta DNA. Es geht um die Dinge, die wir sehen, Dinge, die uns beschäftigen. All das fließt dann mit ein. Es geht nicht darum zu sagen, diese Kollektion ist jetzt besonders sportlich oder diese Kollektion greift ein besonderes Thema auf oder hat ein besonderes Statement. Es geht einzig und allein um die Dinge, die wir mögen und die wir für dope halten.

Das macht die Sache eigentlich ja auch etwas einfacher, oder?
Ja, auf jeden Fall. Die Kollektionen entstehen organischer, verstehst du? Wenn man versucht die Idee zu sehr zu wollen, dann geht es meistens schief.

Was habt ihr für 2018 denn noch geplant?
Ich will noch nicht zu viel verraten. (grinst) Aber dieses Jahr wird ein wenig ruhiger. Es werden noch drei Kollaborationen kommen. Aber nächstes Jahr feiern wir 15jähriges Jubiläum und dann wird es explodieren! Dope things will come! (grinst)

„Everything is 10 minutes biking away“

Na dann sind wird doch mal gespannt… Wie wichtig ist bei der Ideenfindung eine Stadt wie Amsterdam?
Amsterdam ist die Stadt, aus der mein Bruder und ich stammen. Amsterdam ist die Stadt, in der mit Patta alles begonnen hat. Daher hat die Stadt natürlich einen Einfluss. Amsterdam ist klein, eigentlich fast schon ein Dorf. Jeder kennt jeden, jeder liebt jeden. Und da Amsterdam immer schon eine Stadt des Imports und Exports war, erreichten verschiedenste Einflüsse der verschiedensten Subkulturen früh diesen Melting-Pot, der auch heute noch für multikulturelles Miteinander und das Zusammenleben verschiedener Subkulturen auf kleinstem Raum steht. Wenn du Punkmusik willst, dann fährst du zehn Minuten mit dem Fahrrad in die eine Ecke der Stadt und wenn du HipHop willst, dann fährst du zehn Minuten in die andere. Alles ist nur zehn Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Das ist Amsterdam. (grinst) Wenn du also offen dafür bist, dann hast du mit Amsterdam eine spannende Kleinstadt.

Du hast es eben schon angesprochen: Nicht nur eure eigenen Releases haben euch beschäftigt, es gab auch Dinge wie die Jordan 1 Off-White Releases, die bei euch im Shop über die Bühne gingen und bei denen einiges los war. Ich kann mir vorstellen, dass es verrückter zuging, als bei anderen Releases.
Ich sag mal so: Je mehr Menschen involviert sind, desto stressiger wird es. Wir halten unsere Releases seit jeher gleich und so wissen die Leute, dass wenn sie Action machen wollen, sie bei uns nicht weit damit kommen. Aber in unserem Shop in London, das war einfach nur der pure Wahnsinn, der ausgebrochen ist.

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„Wir hatten kleine Mädchen vor dem Laden, die uns weismachen wollten, dass ihnen eine US 11 passt“

War der Unterschied zwischen Amsterdam und London so gravierend?
Du machst dir keine Vorstellungen. Es war sogar so heftig, dass wir entschieden haben, dass wir in London in diesem Jahr erst einmal keine Releases in der Größenordnung von Off-White oder KAWS mehr umsetzen werden. Es ist einfach Krieg. Ich sags dir, wie es ist. Egal ob es dabei um Resell geht oder nicht – die Leute sind wahnsinnig! Wir machen das seit Jahren. Wir stellen Regeln auf. Wir sagen, wie es zu laufen hat, checken die Größen der Käufer und hatten nie großartige Probleme. Aber in London war es einfach nur verrückt. Wir hatten noch nie so viele Diskussionen mit Leuten, wie in diesem Moment. Kleine Mädchen, die uns weismachen wollten, dass ihnen eine US 11 passt; Typen, die richtig aggressiv geworden sind, weil sie den Schuh nicht mehr kaufen konnten… Ich konnte nicht mal normale Security vor den Laden stellen – ich musste ehemalige Soldaten anheuern. Kein Spaß! Die Leute haben wirklich ihren Verstand verloren. Das macht doch einfach keinen Spaß mehr. When money is involved, kindness is out the window.

„Wenn du einen Schuh liebst, dann geht es dir um den Schuh“

Wie stehst du zu der Anti-Resell-Idee von Sneakersnstuff, die beim Release des Sean Wotherspoon in Stockholm gesagt haben, dass man nur seine eigene Größe kaufen kann, die Box im Laden bleibt und man mit dem Schuh am Fuß den Laden verlassen muss?
Das ist eine Idee, über die wir auch nachgedacht haben. Es ist eine gute Idee, auf jeden Fall. Und ich würde mir wünschen, jeder Shop würde das so handhaben. Aber dennoch hat man dann wieder Leute, Sammler, die den Schuh unbedingt mit Box haben wollen und dann fängt da wieder das Diskutieren an. Am Ende ist es aber doch so: Die einzigen Leute, die sich darüber aufregen, sind die Reseller! Wenn du einen Schuh liebst, dann geht es dir um den Schuh. Dann ist es dir egal, dass du ihn direkt anziehen musst.

Glaubst du, die Situation wird sich in naher Zukunft entspannen?
Nein. Denn es ist so viel Geld im Spiel. Schau dir doch mal den 1/97 Wotherspoon an: Es gab so viele Paare! Und dennoch sind die Leute durchgedreht, denn die Nachfrage war so enorm, dass es immer noch Leute gab, die damit Geld machen wollten. Dieses Sneakergame ist mittlerweile so riesig, dass es niemals genug sein wird. Ich bin aber auch gar nicht sauer auf die Reseller. Es ist ein Markt. Es gibt ihn und es gibt ihn, weil es Menschen gibt, die ihn brauchen und haben wollen. Und ich respektiere jeden, der hustlet. Ich liebe den Hustle! Ich verstehe zwar nicht, wie Kids von 14 Jahren Klamotten im Wert von mehreren tausend Euro tragen können und zu jedem neuen Release in der Schlange vor unserem Shop stehen, aber so ist es eben. (lacht)

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„Aus der Jagd ist ein Kampf geworden“

Wie gehst du persönlich damit um, dass sich das Sneakergame so verändert hat?
Ganz ehrlich? Ich mache einfach weiterhin mein Ding. Ich kaufe das, was mir gefällt. Und wenn alle auf den Hypetrain aufspringen und dabei nicht sehen, dass es großartige Inline-Releases gibt und man immer noch das kaufen sollte, was einem gefällt, dann soll mir das recht sein. Wie langweilig ist es denn, wenn jeder das selbe trägt? Das vergessen viele bei all dem Hype um diesen oder jenen Sneaker gerne mal. Die Leute jagen nur noch den Schuh, der ihnen von der Brand diktiert wird. Aus der Jagd ist also ein Kampf geworden. Aber darum geht es doch nicht. Ich bin oldschool. Ich habe mich für Sneaker interessiert, da gab es noch kein Quickstrike oder Tier Zero. Man ging einfach in den Laden, hat was Geiles gesehen und das dann gekauft. Und auch heute noch gehe ich zu Foot Locker oder Size? Ich gehe nicht dahin, wo die Hypebeasts sind. Ich suche das, was mir gefällt. Und wenn du ein richtiger Sneakerhead bist, dann interessiert es dich nicht, was der Hype sagt. Es ist doch so: manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du. Das ist die Essenz des Sneaker-Huntings. Das ist doch der Spaß an diesem Spiel.

Spielt in diesem Spiel auch die Qualität eine Rolle?
Das hoffe ich doch! Für mich ist es einer der wichtigsten Faktoren. I built things to last! Und glücklicherweise machen es viele genauso. Und dennoch hat man Kunden, die kaufen Resell einen Sneaker für 1.000 EUR und gehen dann aber zu H&M oder Primark und kaufen sich ein T-Shirt für 8 EUR, das man nach einmal Tragen wegschmeissen kann. Denn genauso produziere diese Firmen: Billig kaufen, einmal tragen, direkt wiederkommen und neu kaufen und dann wieder von vorn. Und das zerstört das Business und ist gefährlich und einfach nur dumm! Aber wir alle, die, die Kollektionen und Sneaker veröffentlichen und die, die im Store stehen und die Sachen kaufen, können das ändern. Wir haben es in der Hand. Und diese Macht sollten wir nutzen. Kannst du dich noch an den Noah Release von damals erinnern?

Du meinst, wo die Brand erklärt, warum das Shirt eben so viel kostet, wie es kostet?
Genau! Für mich war das eine der großartigsten Dinge seit langem! Sie haben direkt und auf den Punkt erklärt warum die Klamotten das kosten, was sie kosten und das sogar auf ihre Labels drucken und in die Klamotten nähen lassen. Sie haben erklärt, dass es um Qualität geht. Dass es nicht um schlecht produzierte Massenware geht. Das war ein cooler Move. Den habe ich gefeiert.

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photos: Marie Schöniger

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Amadeus Thüner

Amadeus arbeitet für eine große PR Agentur und ist schon seit langer Zeit dem Turnschuh verfallen. Als freier Redakteur, Moderator und selbst ernannter “Medienfuzzi” arbeitet er zudem für diverse Magazine oder Plattformen, wie dem Tätowier Magazin, oder auch für Red Bull Music.